Dr. Adolf Kalberlah (r.), von 1970 bis 1994 Leiter der Abteilung „Zukunftsforschung“ bei Volkswagen in Wolfsburg, und sein langjähriger Mitarbeiter Willi Josefowitz (l.)
Die Hände gleiten langsam, beinahe andächtig über die großformatigen Fotos von Elektro-Golf, Transporter mit E-Antrieb, Hybridstudie Chico. „Wir haben immer die Richtung angegeben“, sagt Dr. Adolf Kalberlah, ehemaliger Leiter der Abteilung „Zukunftsforschung“ bei Volkswagen. Kein Wunder. Kalberlah, Doktor der Elektrochemie, hat bis heute eine hohe Meinung vom Elektroauto. „1970 haben wir angefangen, mit gerade einmal zehn Mann. Aber 1972 fuhr bereits der erste Volkswagen Transporter mit Elektroantrieb!“ Anerkennendes Nicken von Willi Josefowitz, damals einer von Kalberlahs engen Mitarbeitern. „Die Batterien passten perfekt unter die Ladepritsche und konnten mithilfe eines Gabelstaplers wie eine Schublade herausgenommen werden“, erinnert er.
„Wir gingen beim Elektroantrieb von einem gesteigerten Interesse von Handel und Gewerbe aus, deren Hauptaktionsradius in den Städten lag. Zudem entsprachen die Reichweiten von rund 50 Kilometern am ehesten ihrem Bewegungsprofil“, erläutert Kalberlah. „Zwischen 1973 und 1975 testeten wir bereits 70 Elektro-Transporter, gemeinsam mit dem Energieversorger RWE.“ Gebaut wurden diese 70 Fahrzeuge im Nutzfahrzeugwerk Hannover.
Ein prestigeträchtiges Zwischenspiel gab ein knallgelber T2 Bulli mit gegenüber angeordneten hinteren Sitzreihen und Elektro-Hybridantrieb als City-Taxi für das Museum of Modern Art (MoMA) in New York. „Es war der erste Volkswagen mit Hybridantrieb!“, betont Kalberlah. Das aufsehenerregende „Yellow Cab“ schaffte es danach mit Dr. Kalberlah vor die Kameras der damals sehr beliebten Abendsendung „Die aktuelle Schaubude“ mit Kultmoderator Carlo von Tiedemann. Danach wurde dieser so besondere Bulli im niedersächsischen Bad Harzburg eingesetzt – als umweltfreundliche „Kur-Taxe“.
Null Liter auf 100 Kilometer und der Golf mit E
Mit dem elektrifizierten T2 „City Taxi“ war Dr. Kalberlah (r.) in der „Aktuellen Schaubude“ zu Gast bei Carlo von Tiedemann (l.)
„1977 gab es dann den Paukenschlag: Der Volkswagen Elektro-Transporter stand auf der IAA – als offiziell bestellbares Serienfahrzeug!“ Kalberlahs Augen glänzen bei der Vorstellung noch heute. „'Der Volkswagen Elektro-Transporter: Null Liter auf 100 Kilometer' lautete der nach der Ölkrise überaus einprägsame Slogan“, erinnert sich Willi Josefowitz. „Dennoch kauften weniger Kunden als erwartet den leisen, sauberen T2. Es wurden rund 20 Fahrzeuge.“
Ein Jahr zuvor, 1976, hatte Volkswagen mit dem Elektro-Golf auch auf dem Pkw-Sektor seine Kompetenz und die Machbarkeit des Elektroantriebs bewiesen. „Der Elektro-Golf blieb zunächst ein Unikat, erst 1981 gingen mit dem ersten Golf I CitySTROMer zwischen 20 und 25 elektrisch angetriebene Golf zu Testzwecken an RWE“, so Josefowitz. Auch der CitySTROMer von 1985 auf Golf II-Basis, den es 70 Mal gab, diente ausschließlich einem Feldversuch. Erster Serien-Elektro-Pkw wurde von 1992 bis 1996 der Golf III CitySTROMer mit Dreh- statt Gleichstrommotor. 120 Exemplare wurden verkauft.
Doch noch einmal zurück zu den Transportern: Von denen gingen 1978 zehn elektrifizierte Exemplare in die USA, zur Tennessee Valley Authority, einem durch Wasserkraft Strom produzierenden Unternehmen, unweit des heutigen Volkswagen Werks Chattanooga. Sieben Elektro-Transporter übernahm 1977 die Berliner Bewag, 1979 bis 1983 drehten dann sogar 40 dieser elektrifizierten Bulli ihre Langzeit-Testrunden durch Westberlin. Und 1982 übernahm die Deutsche Bundespost mehrere Volkswagen LT mit Elektroantrieb. Volkswagen fertigte den elektrifizierten T2 als Versuchsfahrzeug und in Kleinstserie über mehrere Jahre, insgesamt wurden 120 Elektro-Transporter gebaut.


Wir begeben uns auf eine Zeitreise mit Hochspannung und sind 2017 zu Besuch bei Dr. Adolf Kalberlah. „Sagen Sie mal, Herr Josefowitz: Wissen Sie noch, wie das alles angefangen hat mit Volkswagen und der Elektromobilität?“

Klar, Herr Dr. Kalberlah! Ich kam ja 1978 in Ihre Abteilung 'Zukunftsforschung', die zum damaligen Zeitpunkt gerade einmal acht Jahre jung war. 1976 gab es bereits den grünen Elektro-Golf I, als Versuchsträger. Und die Idee, öffentliche Ladekabel in Parkuhren zu integrieren!“

Dr. Adolf Kalberlah (r.), von 1970 bis 1994 Leiter der Abteilung „Zukunftsforschung“ bei Volkswagen in Wolfsburg, und sein langjähriger Mitarbeiter Willi Josefowitz, erinnern sich gemeinsam an die elektrifizierten Entwicklungen innerhalb des Konzerns.

Ein wichtiger Schritt war der erste Hybrid-angetriebene Volkswagen: ein T2 Bus, das berühmte „City-Taxi“ des New Yorker Museum of Modern Art – entwickelt by Volkswagen in Wolfsburg.

„Das City-Taxi war so berühmt, dass ich es nach seinem Einsatz in New York in der deutschen Abendsendung 'Die aktuelle Schaubude' präsentieren durfte“, erzählt Dr. Kalberlah – und hat das entsprechende Fotomaterial gleich parat. Auf den Bildern: der Elektro-Experte selbst, interviewt von NDR-Kultmoderator Carlo von Tiedemann.

„Wir haben immer die Richtung angegeben“, sagt Dr. Adolf Kalberlah (r.). „Mich nannten sie auf der ganzen Welt nur 'Mr. E-Mobile!'„, lacht der 80-Jährige herzlich.

Stimmt: Das Abschiedsgeschenk seiner Abteilung beweist es. „1970 haben wir angefangen, mit gerade einmal zehn Mann“, erinnert sich Kalberlah. „Aber 1972 fuhr bereits der erste Volkswagen Transporter mit Elektroantrieb!“

Anerkennendes Nicken von Willi Josefowitz, damals einer von Kalberlahs engen Mitarbeitern. „Die Batterien passten perfekt unter die Ladepritsche und konnten mittels eines Gabelstaplers wie eine Schublade herausgenommen werden“, erläutert er.

Kalberlah hat diese spannende Zeit als äußerst lebendig in Erinnerung: „Was haben wir nicht alles überlegt und geplant: vernetzte neue Verkehrssysteme, vom Elektroauto über 'rollende Bürgersteige' und Kabinenbahnen für die Mitarbeiter rund ums Werk Wolfsburg herum.“ Na, daraus wurde nichts – bis auf das vollwertige Elektroauto. Und fast jedes Jahr gab es etwas Neues aus der Abteilung. Mit auf Zeitreise geht auch Anton Konrad (l.), zuletzt Direktor Kommunikation Volkswagen Konzern und langjähriger Kollege von Kalberlah (r.) und Josefowitz (M.).

„Die Idee, den E-Antrieb als Erstes in einem Nutzfahrzeug zu realisieren, basierte auf zwei Gründen“, berichtet Kalberlah. „Erstens gingen wir von einem gesteigerten Interesse bei Geschäftsleuten aus. Deren Hauptaktionsradius lag ja in den Städten, und diese galt es bereits damals, schadstoffmäßig zu entlasten. Zudem entsprachen die Reichweiten von rund 50 Kilometern am ehesten ihrem Bewegungsprofil.“

Und zweitens? „Der T2 bot schlicht den besten Raum, um den Elektroantrieb und die Batteriepacks unterzubringen“, sekundiert Willi Josefowitz, der seit 1978 mit Kalberlah an der Zukunft der Elektromobilität arbeitete. „Erstes Auto war besagte T2-Pritsche. Zwischen 1973 und 1975 testeten wir dann bereits 70 Elektro-Transporter gemeinsam mit dem Energieversorger RWE.“

Und so sah das aus: eine der T2-Pritschen mit Wechseleinrichtung auf einer zeitgenössischen Aufnahme.

Funktionierte aber auch im geschlossenen Transporter bestens, die Methode, wie dieses historische Foto zeigt.

Und auch im Bus konnte die Batterie-Technik geschickt untergebracht werden – unterhalb der gegenüberliegend angeordneten Sitzbänke.

1972 konnte Dr. Kalberlah (Mitte, mit Fahrzeugschlüssel) den ersten Volkswagen T2 Elektro-Transporter an RWE übergeben.

Unermüdlich warb Kalberlah für das Konzept des Elektroantriebes im Kraftfahrzeug. Hier informiert er eine Besuchergruppe aus der Schweiz 1974 über den neuesten Stand der Entwicklung bei Volkswagen.

Die Deutsche Bundespost erhielt mehrere Volkswagen LT mit Hochdach und Elektroantrieb im Rahmen eines Flottenversuches.

1986 posiert die Abteilung von Dr. Kalberlah (5. v. l.) mit dem ersten Volkswagen Hybrid-Pkw, noch auf Basis des Golf I.

1986 gelingt mit dem Ein-Wellen-Elektro-Hybrid-Golf II die technische Vereinfachung, die 1988 auf der internationalen Verkehrsausstellung in Hamburg steht. Hier präsentiert Kalberlah stolz den Ein-Wellen-Hybridantrieb anhand eines Modells.

Verbaut ist die Technik in einen Golf II, der entsprechend auffällig foliert und beworben wird – allerdings nur als Technologie-Träger.

„Wir hatten den Hybrid immer für die Langstrecke favorisiert, Thema Reichweite. Den rein elektrisch betriebenen Wagen für Stadt und Umland“, sagt Kalberlah.

Rein elektrisch betrieben startet der Golf II CitySTROMer in einer Miniserie – allerdings nicht für den Verkauf bestimmt. Hier tankt einer der Versuchswagen zu Hause unter dem Carport.

Als Golf III CitySTROMer schafft es der vollelektrische Volkswagen ab 1993 in die Serie. 120 Exemplare werden bis 1996 verkauft.

Für Dr. Adolf Kalberlah (r.) und Willi Josefowitz (M.), die 1994 und 2010 in den Ruhestand gingen, ist das Schönste die Gewissheit, den richtigen Weg geebnet zu haben. Josefowitz freut sich über die Entwicklung der Elektromobilität: „Wenn ich heute in einem E-Auto sitze, ist das Technik, an der wir gearbeitet haben. Darauf sind wir mächtig stolz. Das konnte man damals so noch nicht alles sehen. Aber wir haben daran geglaubt.“ „Eine tolle Leistung!“, findet auch Ex-Kommunikations-Chef Anton Konrad (l.).
Wir haben immer die Richtung angegeben. Mich nannten sie auf der ganzen Welt nur 'Mr. E-Mobile!'
Die gute Gewissheit
Dr. Adolf Kalberlah (Mitte) mit Kollegen im Jahr 1987: stolz auf das Ein-Wellen-Elektro-Hybrid-Fahrzeug
1983 gewann der Hybridantrieb an Fahrt. Im Pkw! Zuerst in Gestalt eines marsroten Golf I mit Zwei-Wellen-Elektro-Hybridantrieb. „Wir hatten den Hybrid immer für die Langstrecke favorisiert, Thema Reichweite. Und den rein elektrisch betriebenen Wagen für Stadt und Umland“, sagt Kalberlah. 1987 gelang mit dem Ein-Wellen-Elektro-Hybrid-Golf II die technische Vereinfachung.
1991 dann startete der Flottenversuch mit 20 Golf mit Ein-Wellen-Hybrid in Zürich. Und im Herbst desselben Jahres stand der Kleinstwagen namens „Chico“ auf der IAA in Frankfurt. Sein Zweizylinder-Reihen-Ottomotor und ein zusätzlicher Elektromotor ergeben Sparsamkeit, Zuverlässigkeit und Fahrspaß. Es blieb allerdings bei der Studie. Der geplante Serienanlauf fand nicht statt.
Doch immerhin gibt es ja besagten Golf III CitySTROMer im Angebot, den „Großvater“ heutiger E-Golf-Generationen. Für Dr. Adolf Kalberlah und Willi Josefowitz, die 1994 und 2010 in den Ruhestand gingen, ist es das Schönste: die Gewissheit, den richtigen Weg geebnet zu haben, täglich, über Jahre. „Auch wenn wir immer ein wenig am Rande des Geschehens standen“, wie Kalberlah sagt. Grund genug, zwei der relevanten Elektro-Pioniere von Volkswagen an dieser Stelle ins Rampenlicht zu stellen. Ins elektrische, natürlich.