Stellen wir uns einmal vor, wie das wäre: Die Flügeltüren des Space-Mobils gleiten geräuschlos auf. Wir lassen uns in futuristisch anmutende, äußerst bequeme und sehr sichere Sitze fallen. Per Schlüsseldreh startet der sparsame 1,7-Liter-Benzin-Direkteinspritzer mit G-Lader. Per Knopfdruck lösen wir die elektrische Parkbremse, gleichzeitig parkt das Fahrzeug mit Vierradlenkung autonom aus. Ein Computer berechnet die günstigste Fahrstrecke und zeigt sie im frei programmierbaren LCD-Bildschirm an, während die großzügig dimensionierten Flächen aus speziellem Wärmeschutzglas ein herrliches Raumgefühl geben. Und beste Rundumsicht. Die hinteren Plätze sind bei Bedarf schnell zu Sicherheits-Kindersitzen umgebaut. Los geht’s!
Doch damit nicht genug: Ein blitzschnell eingreifendes, vollelektronisches Blockierschutz-System (EBS) arbeitet schneller als alle anderen bis dahin bekannten Systeme, zudem bietet die elektrische Servolenkung präzise Ausweichhilfe. Oder wir aktivieren gleich das vordere Radar, um den Vordermann auf Abstand zu halten. Ein Griff genügt, um mithilfe des in der Mittelkonsole gelagerten Mobiltelefons wichtige Gespräche unterwegs zu erledigen.
Und wollen wir den Show-Effekt des wegweisenden One-Box- Designs auf die Spitze treiben, demontieren wir einfach die bis ins Dach reichenden Flügeltüren und die Kuppel des verglasten Hecks – voilà, das ist der Wind der Zukunft, der uns da um die Nase weht!
Das Auto von morgen, 1989 schon Wirklichkeit
Noch einmal zur Erinnerung: 1989! „Wir wollten seinerzeit zeigen, was unserer Meinung nach in den kommenden zehn bis fünfzehn Jahren im Automobilbau eine Rolle spielen könnte“, sagt Prof. Dr. Ulrich Seiffert, von 1978 bis 1987 Vorstand der Volkswagen AG für Forschung und Entwicklung . Unter dem Slogan „Das Auto von morgen – heute schon Wirklichkeit“ steckten die Forscher, Entwickler und Designer bei Volkswagen alles technisch Machbare in ein einziges Auto – den Futura. Der hört offiziell übrigens auf den Namen „IRVW IV Futura“ (Integrated Research Volkswagen) – passt!
Begegneten uns heute in Serie gefertigte Futura auf den Straßen – es wären vertraute Anblicke: One-Box-Design à la Golf, viel Glas, dahinter schwarz verkleidete A- und B-Säulen, unverwechselbar designte Scheinwerfer, Zweifarb-Lackierungen, coole Alufelgen, Sensoren in der Frontschürze.
Kommt uns allen irgendwie bekannt vor, oder? Kommt aber alles eben nicht von ungefähr, sondern aus der Zukunftsforschung der Vergangenheit – die immer noch topaktuell erscheint. Denn der Futura – und das ist seine eigentliche Besonderheit, die ihn von so manch anderer Studie unterscheidet – wirkt aus heutiger Sicht wie ein treffsicherer Blick in die allwissende Kristallkugel anno 1989: Fast alles aus dem Futura ist heute gebauter Automobil-Alltag.
Assistenzsysteme und digitale Features schon 1989
Gut, die Vierrad-Lenkung hat sich nicht durchgesetzt – der technische Aufwand erwies sich als schlicht überflüssig: Automatisches Einparken funktioniert auch mit nur zwei lenkbaren Rädern. Aber der Rest!
Vollverglaste Dächer sind Realität geworden, ebenso elektrische Servolenkung und Parkbremse, Navigation, Mobiltelefone, Abstandsradar, Bremsassistenten, integrierte Kindersitze, Sitze mit pyrotechnischem Gurtstraffer und Memory-Funktion.
Ebenso frei programmierbare LC-Displays: „Entwicklung und Produktion sollten damals eine Milliarde Mark kosten, da wollte keiner ran. Das hat sich aktuell aber dank der allgemeinen Digitalisierung geändert“, liefert Prof. Seiffert die schlüssige Begründung, warum dieses Feature aus dem Futura es erst jetzt schafft, sich zu etablieren.
Also alles ganz lässig, ganz easy, damals, vor fast 30 Jahren? „Na ja“, sagt Seiffert und wedelt bedeutungsschwer mit seiner Hand, „gezittert haben wir schon, als Showmaster Thomas Gottschalk uns ankündigte.“ Volkswagen hatte sich nämlich bei der beliebten Unterhaltungssendung „Wetten, dass..?“ mit dem Futura beworben. „Mit der Behauptung: Wetten, dass unser Auto automatisch einparken kann? Wir haben ganz schön geschwitzt – die Technik des ZDF-Studios funkte nämlich der unsere Futura gehörig dazwischen. Aber am Ende gelang die Aktion und es gab sogar einen Glückwunsch – per Mail von unserem damaligen Chef, Dr. Carl H. Hahn.“
Irgendwie tröstlich, wenn auch Forscher und Entwickler schon in der Vergangenheit ins Schwitzen gerieten, wenn es um ihre Zukunft ging.
Technische Daten
-
IRVW IV Futura
Baujahr: 1989 Motor: Vierzylinder-Reihen-Ottomotor, G-Lader Max. Leistung: 60 kW ( 82 PS) Hubraum: 1.715 ccm Beschleunigung: 0 – 100 km/h in 15,0 s Höchstgeschwindigkeit: 183 km / h Verbrauch: ca. 6,0 Liter / 100 km