Jochi Kleint dreht seinen Helm in den Händen. Der orangefarbene Aufkleber der Rennleitung zeugt noch von dem Bergabenteuer mit Power-Golf. Kleint tippt energisch darauf und seine Augen leuchten: „Pikes Peak gehört zu den absoluten Highlights meiner Karriere!“
Eine gestandene Motorsportgröße, unzählige Pokale und Auszeichnungen zeugen von seinen erfolgreichen Rallye-Einsätzen – Jochi Kleint aber bleibt hanseatisch bescheiden. 1966 startet Kleint als 18-Jähriger seine Rallye-Karriere. 1977 wird er der erste Volkswagen Werksfahrer. 1978 siegt Kleint bei der Deutschen Rallycross-Meisterschaft („Estering-Pokal“), startet bei der Rallye Monte Carlo. 1979 wird Kleint Rallye-Europameister, nimmt 1987 den Siegerkranz der Rallye Deutschland mit nach Hamburg. 1994 beendet er seine aktive Motorsportkarriere.
Als Volkswagen Werksfahrer kommt Kleint früh mit motorsportlichen Innovationen in Berührung, so manches Rennfahrzeug parkt auf der heimischen Auffahrt. Als einer der Ersten testet Kleint die Bi-Motor-Fahrzeuge, die Volkswagen Motorsport zusammen mit Konstrukteur Kurt Bergmann entwickelt. Als Volkswagen beim legendären Bergrennen Pikes Peak International Hill Climb mit einem Golf II mit Doppelmotor startet, ist Kleint die konsequente Fahrerwahl.
Training am Berg
Der Motorsportwettkampf am Pikes Peak im US-Bundestaat Colorado, erstmals 1916 ausgetragen, ist eine absolute Herausforderung. Das „Pikes Peak International Hill Climb“ gilt mit dem Start auf 2.862 Metern und der Ziellinie auf dem 4.302 Meter hohen Gipfel als anspruchsvollstes Bergrennen der Welt.
Colorado Springs, 1985. Das „Training“ absolviert Kleint in einem amerikanischen Straßenkreuzer. „Am Pikes Peak kannst du nicht richtig trainieren, es ist eben eine Touristenattraktion. Also sind wir mit dem Ami-Koffer den Berg hochgefahren. Als der Achtventiler schnell schwächelte und das Wasser früh kochte, war klar, dass der Pikes Peak ein harter Gegner ist.“ Für Team und Technik ist die Höhe eine enorme Herausforderung.
Vorbereitung ist alles bei diesem harten Bergrennen. Kleint spricht sich den Aufschrieb mit einem Diktiergerät auf, hört ihn immer und immer wieder ab. „Die Strecke musste sitzen, jede einzelne Kurve. Kuppen, blinde Ecken, Sonne – der Pikes Peak verzeiht keinen Fehler!“
Außergewöhnlich auch die Atmosphäre. Das Fahrerlager: bunt, offen, abenteuerlich. Fahrzeuge aller Renn-Klassen stehen nebeneinander am Wegesrand. An der Strecke erleben Zuschauer mit Klappstühlen, Kaltgetränken und Klampfe das Spektakel hautnah. Für Kleint bis heute unvergessen.
Konzept mit Doppelmotor
Das Debüt 1985 gelingt. „Das Fahrzeugkonzept – eine gute Idee! Vier angetriebene Räder auf losem Untergrund, super.“ Kleint und der Bi-Motor-Golf II schlagen sich wacker. Das Volkswagen Team kann den dritten Platz behaupten. „Ich war überrascht, dass es so gut geklappt hat und dass die Saugmotoren nicht in der Höhe versagt haben. Zudem wurde ich ausgezeichnet: als ‚Rookie of the Year‘.“ Kleints Begeisterung ist auch 31 Jahre später noch spürbar.
1986 wird mit einem modifizierten Bi-Motor-Golf erneut am Pikes Peak gestartet. Die Erwartungen sind gestiegen, werden aber mit einem vierten Platz enttäuscht. Für den nächsten Start ergab sich daraus ein großer Lernprozess. 1987 wollten wir es dann richtig wissen“, resümiert Kleint knapp.
Den Wolken 1987 ganz nah: Der Twin-Golf mit mehr als 441 kW (600 PS) macht 1987 Eindruck am Pikes Peak. Auch bei der Konkurrenz, wie Kleint von Freund und Konkurrent Walter Röhrl weiß. Am 11. Juli 1987 geht’s ums Ganze. Hoch konzentriert gibt Kleint alles. „Ich hatte eine tolle Zwischenzeit, lag knapp hinter Walter. Das war sensationell, grad gegen das ‚Monster‘ Audi Sport quattro S1.“ Doch dann endet die Erfolgsfahrt jäh. Kleint bemerkt Probleme mit der Radaufhängung. Die Zielfahne bereits im Blick, folgt wenige Meter zuvor das Aus. Sein erster Gedanke? „Shit!“, lautet Kleints nordisch-direkte Antwort. Die Emotionen kommen zeitversetzt: Wut, Enttäuschung, Fassungslosigkeit. „Da ist man so gut vorbereitet, hat einen superstarken Prototyp mit Doppelherz, fährt einen perfekten Lauf. Und dann vermasselt ein gebrochener Schmiernippel alles. Kleines Teil, große Wirkung.“
Pikes Peak reloaded
Seit 1987 hat Jochi Kleint noch eine Rechnung offen. Eigentlich. „Ich hätte gern noch Pikes Peak gewonnen, aber mit 70 muss ich da nicht mehr antreten. Aber Volkswagen greift 2018 ja wieder an: mit einem Highspeed-E-Renner, dem die Puste da oben nicht ausgeht, und mit einem erfahrenen Fahrer. Die Chancen stehen sehr gut, dass die Rechnung endlich beglichen wird!“
Und damit liegt Jochi Kleint goldrichtig, wie sich nur wenige Monate später herausstellen wird.