... denkt automatisch auch an den ehemaligen Volkswagen Vorstandsvorsitzenden und Internationalisierer Prof. Dr. Carl Horst Hahn.
Eigentlich bedarf Prof. Dr. Carl Horst Hahn keiner gesonderten Vorstellung. Wer „Volkswagen“ sagt und dabei an die Geschichte des Konzerns denkt, hat neben Vorstandsvorsitzenden wie Heinrich Nordhoff, Rudolf Leiding und Ferdinand Piëch sofort auch Carl H. Hahn im Sinn. Hahns Name ist untrennbar mit der Internationalisierung des Volkswagen Konzerns verbunden. Für sein Lebenswerk zeichnete am 4. November 2021 der Weltverband Fédération Internationale des Véhicules Anciens (FIVA) Carl H. Hahn für sein Lebenswerk aus: mit dem FIVA Heritage Hall of Fame Award.
Auf den Volkswagen Vorstandsvorsitzenden der Jahre 1982 bis 1993 gehen sowohl das längst unverzichtbare China-Engagement des Konzerns als auch die Handelsbeziehungen zur damaligen DDR und der Erwerb der Marken SEAT und ŠKODA sowie der Erhalt der Marke Audi zurück. Der gebürtige Chemnitzer Hahn war es auch, der sofort nach dem Fall des Eisernen Vorhangs den Automobilbau in Sachsen für Volkswagen realisierte. Zudem verdanken Volkswagen Fans in aller Welt „CHH“, wie er in Kurzform genannt wird, einige epochale Volkswagen Modelle, die heute längst Klassiker und Sammlerstücke sind. Vom Käfer bis zum Corrado. Grund genug also für Volkswagen, Hahn wenige Tage vor der FIVA-Preisverleihung in der AUTOSTADT in Wolfsburg mit einigen der wichtigsten Fahrzeuge aus seiner Wirkungszeit noch einmal zusammenzubringen.
Carl H. Hahn im 1938er Horch 930 V Cabriolet.
Doch der Reihe nach. Seine Karriere mit bemerkenswerten Stationen wurde Carl H. Hahn quasi in die Wiege gelegt: Vater Carl Hahn senior war 1932 Mitbegründer der Auto Union AG und Vorstandsmitglied der Marke DKW. Präsent sind dem heute 95-jährigen Hahn Ausfahrten im elterlichen Horch 930 V Cabriolet. Ein baugleiches Fahrzeug besitzt das ZeitHaus der Wolfsburger AUTOSTADT, in dessen Depot und Studio das Wiedersehen im Oktober 2021 stattfindet.
Hahn setzt sich gerne noch einmal hinter das riesige Lenkrad des Achtzylinder-Horch. Mit einem satten „Klack“ fällt die hinten angeschlagene Tür ins massive Schloss. Hahns Blick streift über das polierte Armaturenbrett, seine Hand über das feine Leder. „Ein wunderbarer Wagen zum langsamen Offen-Fahren bei sommerlichen Temperaturen.“
Schlüsselpositionen bei Volkswagen
Von 1959 bis 1964 war Carl H. Hahn Chef von Volkswagen of America. Er verkaufte dort so viele Käfer wie niemand vor oder nach ihm. Hier sehen wir Hahn mit einem Käfer von 1961.
1954 wurde Carl H. Hahn in Wolfsburg Assistent von Volkswagen Generaldirektor Heinrich Nordhoff. Zwischen 1959 und 1964 forcierte Hahn als Chef von Volkswagen of America den Siegeszug von Käfer und Transporter in den USA – begleitet von einer bis heute legendären Anzeigenkampagne der Agentur Doyle Dane Bernbach (DDB). „1960 führten wir auf meine Initiative hin die Benzinuhr im Käfer ein“, deutet Hahn auf das in Chrom eingefasste Instrument im 1961er Export, auf dessen Beifahrersitz er Platz genommen hat. „Der bisherige Benzinhahn war in den damals bereits sehr sicherheitsbewussten USA eine falsche Sparsamkeit. Noch dazu für ein Fahrzeug, das sich auf dem Weg in die Herzen der Amerikaner befand, sogar Teil der Familie geworden war.“
Die hohe Abhängigkeit vom US-Export des Käfers barg jedoch auch Risiken, die Hahn nach seiner Rückkehr aus den USA 1964 als frisch ernanntes Vorstandsmitglied durchaus erkannte. „Wir, auch Nordhoff, wussten ganz genau: Wenn der Käfer einen Herzinfarkt erlitten hätte, wären wir verloren gewesen.“ Unter Nordhoff-Nachfolger Kurt Lotz gediehen die Pläne für einen Käfer-Nachfolger, unter anderem in Form des EA 266 mit Unterflur-Mittelmotor. Unter Rudolf Leiding kam der von Giorgetto Giugiaro karossierte VW Golf. „Mit ihm verhalfen wir nicht nur dem quer eingebauten Frontmotor mit Frontantrieb zum Durchbruch weltweit, sondern schufen gleichzeitig eine völlig eigenständige Klasse: die ‚Golf-Klasse‘!“
Der Golf brachte den „Turnaround“
Als 1977 Volkswagen 10.000 Golf in die damalige DDR lieferte, war Carl H. Hahn bereits seit vier Jahren Vorstandschef der Continental Gummi-Werke in Hannover. Der gezeigte historische Golf stammt aus dem Bestand von Volkswagen Classic.
1973 schied Hahn nach Strategiedifferenzen aus der Volkswagen AG zunächst aus, um bis 1982 als Vorstandsvorsitzender die Continental Gummi-Werke AG in Hannover zu führen. Den „Puls“ nach Wolfsburg hatte er jedoch nie verloren, sodass er 1982 als Nachfolger des krankheitsbedingt ausgeschiedenen Toni Schmücker das Amt des Vorstandsvorsitzenden von Volkswagen übernahm.
Hahn betrat Neuland durch ein aufsehenerregendes Joint Venture mit China, wo die Fertigung des damals neuen Modells Santana aufgenommen wurde. „Noch heute nennt man dieses Modell in China ‚The Spirit of Motoring‘“, betont Hahn. Der VW Santana machte China ähnlich „auto-mobil“ wie der Käfer einst Europa.
Nachdem die DDR bereits 1977 im Rahmen eines Kompensationsgeschäfts 10.000 VW Golf gegen Werkzeugmaschinen erhalten hatte, baute Hahn die Beziehungen zwischen den damaligen beiden deutschen Staaten weiter aus.
16V, G-Lader und Corrado entstanden unter Hahn. Beim Golf II forcierte der sportbegeisterte Volkswagen Chef besonders den 16V sowie den legendären G60. Auch das Sportcoupé Corrado von 1988 erhielt den mechanischen G-Lader, 1991 den VR6-Motor. Letzterer gelangte schließlich sogar in den 1991 eingeführten Golf III. „Den Sechszylinder hätte ich ursprünglich schon gern im Golf II gehabt“, verrät Hahn während des Wiedersehens mit den Autos seines Lebens.
Nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Vorstandsvorsitzenden Ende 1992 wechselte Carl H. Hahn in den Aufsichtsrat der Volkswagen AG, dem er bis Juni 1997 angehörte. Bis heute fährt er täglich in sein Büro im Herzen Wolfsburgs, das sich im Gebäude des von ihm initiierten Kunstmuseums Wolfsburg befindet. Er gehörte mehreren Boards internationaler Unternehmen an, ist Ehrenvorsitzender der Konzernmarken Audi, SEAT und ŠKODA. Worauf ist er besonders stolz? „Auf alles, was Sie in den vergangenen Stunden gehört haben.“ Spricht’s und fährt davon im nagelneuen VW ID.3. Nicht ohne ein Schlusswort: „Das elektrische Fahren ist schlicht bahnbrechend.“
Dem ist nichts hinzuzufügen. Nur der FIVA Heritage Hall of Fame Award. Congratulations, „Mr. Volkswagen“ Carl H. Hahn!


Senator Prof. Dr. Carl H. Hahn. Geboren in Chemnitz 1926, offiziell für Volkswagen tätig von 1954 bis 1973 und von 1982 bis 1997. Vorstandsvorsitzender und Internationalisierer von Volkswagen zwischen 1982 und 1993. Aktuell ausgezeichnet für sein Lebenswerk mit dem FIVA Heritage Hall of Fame Award 2021.

Gefragt nach seinen stärksten Erinnerungen an dieses Auto erzählt Hahn lächelnd: „Wie ich mit der Nase beim Bremsen gegen das Armaturenbrett stieß, wenn mein Vater bremste. Und an die Dispute mit meiner Mutter, die stets hinten Platz nehmen musste. Weil ich vorne sitzen wollte!“

„1960 brachten wir auf mein Drängen die Benzinuhr für den Käfer. Das war wichtig für den bereits damals schon sicherheitsbewussten US-Markt.“

Unter Kurt Lotz entstand der EA 266, Konstruktion von Ferdinand Piëch. Besonderheit war der Unterflur-Mittelmotor. Damit war der Wagen zwar technisch so unverwechselbar wie der Käfer, aber zu exotisch. Mit Rudolf Leiding kam der von Giugiaro karossierte Golf. „Mit ihm verhalfen wir nicht nur dem quer eingebauten Frontmotor mit Frontantrieb zum Durchbruch weltweit, sondern schufen gleichzeitig eine völlig eigenständige Klasse: die ‚Golf-Klasse‘!“

Der EA 266 zwar technisch so unverwechselbar wie der Käfer, aber zu exotisch. Golf, übernehmen Sie!

Sofort nach seinem Antritt als Volkswagen Vorstandsvorsitzender intensivierte Carl H. Hahn die Beziehungen zu China. Das hieraus resultierende und großes Aufsehen erregende Joint Venture war der Grundstein der Internationalisierung des Volkswagen Konzerns. Zum erfolgreichen Volumenmodell dieser Pionierzeit geriet dabei der Santana. „Wir verkauften dort im ersten Jahr 1.700 Santana. Und hatten damit einen Marktanteil von 40 Prozent!“

„In China nimmt man vorzugsweise im Fond Platz und lässt sich chauffieren“, lautet eine von vielen interkulturellen Erkenntnissen, die beim Erschließen des chinesischen Automarktes für Carl H. Hahn und für Volkswagen wichtig waren.

Der Golf II ab 1983 erwies sich erneut als „Renner“ beim Publikum. Besonders schätzte und förderte Carl H. Hahn die sportlichen Modelle. Hier als Ikonen der 1980er-Jahre Golf GTI 16V und Golf GTI G60.

„Sechzehnventiler und G-Lader waren Zugpferde damals“, erinnert sich Carl H. Hahn. Das gilt für beide Modelle auch heute noch – sie sind längst gesuchte Klassiker.

Mit Corrado G60 und Golf III VR6 erschienen gegen Ende von Carl H. Hahns Zeit als Volkswagen Vorstandsvorsitzender formale wie technische Hochkaräter auf Rädern. Den ursprünglich als Shooting Brake gezeichneten Corrado ließ Hahn zugunsten des US-Marktes als Coupé umzeichnen.

1981 präsentierte Volkswagen das Forschungsfahrzeug Auto 2000. „Das wird der neue Golf!“, befürchtete ein bestimmter Wettbewerber – und besserte den eigenen Golf-Konkurrenten deutlich nach. Als Carl H. Hahn 1982 Volkswagen Vorstandsvorsitzender wurde, dementierte er die genannten Befürchtungen nicht – um dann mit dem evolutionären statt revolutionären Golf II zu überraschen.

Designmerkmale des Auto 2000 übernahm der ab 1988 gebaute Passat 35i (B3). Das komplette Exterior-Design des mit damals spektakulär „geschlossener“ Front versehenen B3 war auf Anordnung Hahns während des Werksurlaubs in nur sechs Wochen entstanden. Hier ein Variant GT G60 aus der Sammlung von Volkswagen Classic.
Abschied von Prof. Dr. Carl H. Hahn
Als Visionär, Unternehmer und Automobil-Mensch mit starker Persönlichkeit, prägte Carl H. Hahn maßgeblich die Historie des Volkswagen Konzerns. Nun ist seine Tür für immer geschlossen und Volkswagen muss Abschied nehmen: Der am 1. Juli 1926 in Chemnitz geborene Hahn ist am 14. Januar 2023 im Alter von 96 Jahren in Wolfsburg verstorben.