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Design braucht ein Thema:
10+1 Fragen an Hartmut Warkuß

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Hartmut Warkuß war von 1993 bis 2003 Designchef von Volkswagen. Er prägte die emotionale Sachlichkeit des Volkswagen Designs vom Lupo über den Golf IV bis hin zum Phaeton. Unter seiner Leitung folgte die Marke Volkswagen einer Designlinie, die Maßstäbe in Stringenz, Zeitlosigkeit und Wertigkeit setzte. Volkswagen Classic gab der gelernte Graveur und begeisterte Hobbypilot elf spannende Antworten.

Der Purist der Linienführung: Designgespräch mit Warkuß

Er hat die Volkswagen Design-Geschichte von 1993 bis 2003 in eine neue Ära geführt: Hartmut Warkuß. Der ehemalige Chefdesigner der Volkswagen AG schuf mit seinem Team eine Vielzahl moderner Klassiker. Der vielleicht am meisten bewunderte, ganz bestimmt aber erfolgreichste: der VW Golf IV.

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Herr Warkuß, von Ihnen stammt der Ausspruch „Design ist nicht demokratisch“. Wie viele Ihrer Mitarbeiter durften denn tatsächlich arbeiten?

Hartmut Warkuß (lacht): Meistens habe ich mich aus den Entwürfen meiner Mitarbeiter sogar extrem zurückgehalten, nur hier und da leicht eingegriffen, Alternativen angeregt. Man will ja Kreativität nicht zugunsten von Hörigkeit verhindern. Am Ende eines Prozesses, nachdem man Monate lang von einer Idee im Kopf verfolgt wurde, realisiert man erst kaum, dass man innerlich zu einem Entschluss gelangt ist. Und dann trifft man die Entscheidung. In einem solchen Moment ist der Verantwortliche des Designzentrums allein. Und er entscheidet allein. Weil Design zwar im Prozess, aber nicht im Endergebnis demokratisch ist.

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Zu viele Köche verderben den Brei?

Exakt. Sie kriegen das mit Demokratie nicht hin. Wir haben die endgültigen Designs meistens unter vier Augen entschieden ...

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Das funktionierte?

Ja (schmunzelt). Mein Design ist ja von Haus aus eher sachlich, Ferdinand Piëchs Designsicht auf Physik aufgebaut.

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Sie folgten Ferdinand Piëch 1993 von Audi zu Volkswagen. Welche Ideen für die Marke verfolgten sie zum damaligen Zeitpunkt?

Tatsächlich reiste ich mit konkreten Passat B5 Entwürfen aus Ingolstadt an. Das Thema: Ein bogenförmig gespanntes Dach, betont nach oben gerundete Dachpfosten, die insbesondere in der C-Säule hinter dem kleinen dritten Seitenfenster spannungsvoll in den doch recht voluminösen Body übergehen. Dazu das Prinzip der Sachlichkeit. Zuerst haben wir die Limousine entwickelt: Wir wollten deren Absatzzahlen revidieren, dazu kam die Neuinterpretation des klassischen Variant, der mit dem B5 wieder Raum und Freizeitaktivität demonstrierte: Ein betont langes Dach, ein beinahe senkrecht abfallendes Heck.

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Hat man als Designer Verantwortung für die Marke? Muss man die Marke verstehen?

Absolut! Es muss ein Markengesicht existieren – oder geschaffen werden. Als es darum ging, den Meilenstein Golf in die vierte Generation zu übersetzen, ist mir dieser legendäre Volkswagen Werbespot eingefallen: „Läuft und läuft und läuft ...“, und genau so etwas wollte ich in punkto Gestaltung erreichen: Verlässlichkeit auch im Design, unverkennbare Golf DNA. Deshalb (zeichnet mit den Händen Linien in der Luft) haben wir die klassische breite C-Säule des Golf signifikant ausgearbeitet. Dieser Schwung, bei uns intern „Banane“ genannt, kommt besonders beim Fugenverlauf des Viertürers gut zur Geltung. Wir haben die Golf Proportionen mit den kurzen Karosserieüberhängen in eine neue Formensprache gegossen. Auch hier wieder die nach oben gerundeten Dachpfosten ... Ja, der Golf IV war meine Vorstellung von einem Volkswagen.

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Zu Ihrer Zeit „rundete“ sich die Marke nach unten und oben hin ab. Wie wichtig war das aus Ihrer Sicht?

Das war ab einem gewissen Zeitpunkt überfällig. Zum einen war ich der Überzeugung: Es muss etwas Knuffiges, Sympathisches her! Unterhalb des Polo. Das haben wir dann mit dem Lupo gebaut, dessen Front wiederum ein ganz klares Volkswagen Gesicht trägt. Außerdem transportieren die gewölbten Kotflügel und die umlaufende Motorhaube Qualität im Detail. Um die runden Augen musste ich im Vorstand kämpfen! Aber ich habe gewonnen. Beim Phaeton war es ähnlich: Die Zeit war reif für eine starke Marke wie Volkswagen, in der Oberklasse Position zu beziehen! Es war sogar verdammt nötig. Zunächst schlugen wir mit dem Concept D, einem Schrägheck-Entwurf, auf der IAA 1999 Konkurrenz und Publikum eine regelrechte Finte, um erste Reaktion zu testen und uns in diesem Segment zu positionieren. Es war aber von Anfang an klar, dass wir eine klassische Stufenheck-Limousine bauen würden.

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Stichwort „Markengesicht“: Wie erreicht und kultiviert man dieses und vor allem: wie sah „das“ Volkswagen Markengesicht für Sie damals aus?

Ein Volkswagen ist ein freundliches Auto, bei aller Dynamik, die die einzelnen Modelle besitzen. So entstand das „Happy Face“, das wir mit einem leichten optischen „Hochziehen“ der Ziergitter erreichten. So kamen wir zu einem einheitlichen Volkswagen Gesicht. Extrem wichtig bei der Frontgestaltung ist, dass man aus der Entfernung oder im Rückspiegel als erstes die Marke erkennt, dann erst das jeweilige Modell. Gleichzeitig muss ich die Disziplin besitzen, ein entwickeltes Markengesicht auch konsequent zu penetrieren und eine gewisse Zeit lang durchzuhalten. Dabei muss ich das Design aber auch „offen“ lassen. Was bedeutet, dass es mir einen Weg ermöglicht, es weiter führen zu können.


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Die Marke Volkswagen erlebte in den 90er Jahren Quantensprünge in der Haptik, in der Karosserie-Passgenauigkeit und besonders auch im Innenraum-Design. Wie wichtig war Ihnen das?

Das war eine große Herausforderung, die von meinen Mitarbeitern im Designzentrum herausragend gemeistert wurde. Zum einen verfügten wir zum damaligen Zeitpunkt über haptisch hochwertige Kunststoffe, die nicht mehr rissen, sich verformten oder verfärbten wie in den 1970er Jahren. Wir hatten auch erkannt, dass von der Frontscheibe her stark abfallende Armaturentafeln mehr von der Sonne beschienen wurden und durch die Reflexe billig wirkten. Also haben wir die Gestaltung entsprechend verändert und die Cockpits horizontaler gestaltet. Gleichzeitig haben wir die Ergonomie immer weiter optimiert. Oder denken Sie an die von uns eingeführte blau-rote Instrumentenbeleuchtung – unverwechselbar bis heute!

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Muss man ein kreativer Ingenieur sein, ein Designer mit Verständnis für Fertigungsmethoden?

Ganz klares „Ja“. Zu Beginn meiner Berufslaufbahn als Designer musste ich in den 1960er Jahren bei Mercedes erst einmal sechs Monate in die Konstruktion, um Scharniere und Fensterprofile zu zeichnen. Das war eine nicht zu ersetzende Erfahrung: Du weißt ab da einfach, was du bauen kannst und was nicht. Wo Blech knickt, wo Profile reißen. Ich hatte immer ein gutes „Standing“ in der Konstruktionsabteilung, weil die merkten: da kommt einer, der weiß, wovon er spricht, der schwebt nicht in irgendeinem Designerhimmel!

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Dennoch eine Frage aus künstlerischen Sphären: Welche Volkswagen Designs aus den vergangenen Jahrzehnten gefallen Ihnen persönlich am besten?

Aus den Anfangsjahren – der Bulli, was besaß dieses Auto für eine Persönlichkeit! In den 60ern gewinnt klar das „kleine“ Karmann Ghia Coupé. Bei den wassergekühlten Volkswagen: der Golf I, eindeutig, später natürlich auch der Golf IV, in den jüngeren Jahren der Phaeton.

10+1
Eine letzte Frage an Sie ist eine sehr spannende: Welches Volkswagen Design wird am meisten unterschätzt?

Der VW-Porsche 914. Ein ganz klares Design ohne direkte Vorbilder, Heinrich Klie hat es gezeichnet. Man betrachte allein die stehend angeordneten Blinker, eine interessante Lösung. Der 914 hat das Zeug zum Fahnenträger.

„Ein Volkswagen ist ein freundliches Auto, bei aller Dynamik, die die einzelnen Modelle besitzen.“

Hartmut Warkuß Ehemaliger Chefdesigner Volkswagen AG

Hartmut Warkuß: Kurzporträt

  • Steckbrief

    Hartmut Warkuß  
    Geboren: 1940 in Breslau
    Ausbildung:     Graveurmeister
      Studium Metalltechnik und Metallgestaltung
    Stationen: 1964 Designer bei Mercedes-Benz
      1966 Designer bei Ford
      1968 Designer bei Audi
      1976 Leiter Design bei Audi
      1993 Leiter des Center of Excellence Design
      bis 2003 Chefdesigner bei Volkswagen
    Volkswagen Modelle (Auswahl): Passat B5 (1996), Polo IV (2001), Golf IV (1997), New Beetle (1997), Bora (1998), Lupo (1998), Phaeton (2002)
  • Kurzvita

    Der Purist der Linienführung: Hartmut Warkuß hat die Volkswagen Designgeschichte von 1993 bis 2003 in eine neue Ära geführt. Als Chefdesigner der Volkswagen AG schuf er mit seinem Team eine Vielzahl moderner Klassiker. Der vielleicht am meisten bewunderte, ganz bestimmt aber erfolgreichste: der VW Golf IV

    Zurück in die 50er Jahre: Hartmut Warkuß soll auf Wunsch der Eltern zunächst Handfestes lernen. Als Graveurmeister schreibt er sich in einer Abendschule ein, spezialisiert sich auf Metalltechnik und -gestaltung. Über eine Annonce in der Zeitung sucht Mercedes-Benz 1964 einen Designer. Warkuß wird noch am Tag seiner Vorstellung in Sindelfingen engagiert. Zwei Jahre später wechselt er als Automobildesigner zu Ford. 

    1968 folgt er dem Ruf von Audi. 1976 wird ihm die Gesamtverantwortung für das Audi Design übertragen. Mit dem Audi 80 und dem Audi 100 prägt er entscheidend die zukünftige Design-Orientierung der Marke. 

    Als Warkuß 1993 zu Volkswagen kommt, startet er mit dem Entwurf für die VW Passat B5 Limousine. Mit der markanten Kurvenführung des Daches und dem konsequenten Design der Fenster wird die Stufenhecklimousine zu einem großen Erfolg. 

    1994 wird die Designstudie Concept 1 auf der Detroit Motor-Show gefeiert. Mit dem daraus abgeleiteten Serienmodell, dem VW New Beetle, kann Volkswagen später seine Position auf dem US-Markt nachhaltig verbessern. 

    Zeitgleich beginnt die Arbeit am Golf IV. Es entsteht erneut eine sehr zeitlose Form mit der unverwechselbaren C-Säule. Für viele ist der über vier Millionen Mal gebaute Golf IV bereits heute ein Klassiker. 

    Als er seine Laufbahn 2003 beendet, ist klar: Hartmut Warkuß hat automobile Produkthistorie geschrieben. Unter seiner Leitung folgte die Marke Volkswagen einer Designlinie, die Maßstäbe in Stringenz, Zeitlosigkeit und Wertigkeit setzte. 

    Gleichzeitig entwickelte Hartmut Warkuß auch für alle Konzernmarken eine eigenständige Identität, koordinierte den Umbau bzw. die Neuorientierung der jeweiligen Designabteilungen – und legte damit den Grundstein für den weltweiten Erfolg der Volkswagen Group. 

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